Interreligiöses Hören. Mahlers Zweite Symphonie als Referenzpunkt der Verständigung über Sinn und Bedeutung

Autor/innen

  • Bernd Harbeck-Pingel

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i02-03.476

Abstract

Das Entsetzen, das den Dirigenten Hans von
Bülow ergriff, jedenfalls nach Mahlers Darstellung,
als er den ersten Satz von dessen zweiter Symphonie
hörte, muss heute niemanden mehr packen.2
Mahler ist gut integriert in den Konzertbetrieb,
seine Zweite zumal. Ohne den ästhetischen Rang
des Werkes infrage stellen zu wollen – seither ist
viel komponiert und aufgeführt worden, das sich
weit jenseits der Funktionstonalität bewegt und zur
Dauerstörung und den mitlaufenden Rezeptionsattitüden
wirkungsvoller beiträgt als ein Trauermarsch
in c-moll. Das einzige Befremden mag sich
einstellen, indem die Konzertbesucher mit der
menschlichen Stimme in einer Symphonie konfrontiert
werden und dann noch mit Reflexionen
über das Leben in der zukünftigen Welt. Dieser
Effekt kann aber auch gesucht und bei Mahler
dann verlässlich angetroffen werden. Dass im Modus
des Gesamtkunstwerks auch vollständige Interpretationen
der Position des Menschen auf der
Welt im bundle zu haben sind, ist ebenso zu erhoffen
wie die routinehafte Verlagerung religiöser
Erbauung in den Konzertsaal, aus dem Grund,
dass sie woanders nicht mehr erwartet, gesucht
oder gefunden wird.

Neu wird die Begegnung mit der Zweiten
Symphonie erst dadurch, dass die geänderten Rezeptionsbedingungen
auch ein Gemeinsames an
Zerstreuung und Konzentration bieten. Schon die
audiovisuelle Speicherung von Musik ermöglicht
die öffentlich vorgetragene Subjektivierung des
vierten und fünften Satzes ins Privatissimum des
Kopfhörers. Die Zugänglichkeit von Musik übers
Internet macht in wünschenswerter Weise auch
fernab diverser Musikzentren Mahler bekannt [...].

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Veröffentlicht

2021-01-21