Rezension zu: Barth, Emmy (20163): Botschaftsbelagerung Die Geschichte einer christlichen Gemeinschaft im Nationalsozialismus Eine kommentierte Dokumentation aus dem Englischen übertragen und erweitert von Jutta Manke unter Mitarbeit von Irisz Sipos.
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.623Abstract
Das überaus lesenswerte und fesselnde Buch ist die
Dokumentation der Geschichte des christlichen Widerstands
am Beispiel des Rhön-Bruderhofes (Sannerz, gegründet
1920) gegen die nationalsozialistische Ideologie.
Inhaltliche Leitlinie ist 2 Kor 5,20: So sind wir nun
Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch
uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen
mit Gott!
Das Buch beginnt mit der »staatspolizeilichen Anordnung
« vom 28.2.1933, den Neuwerk Bruderhof e.V.
(im Kreis Fulda) zu schließen, das Vermögen zu konfiszieren
und die Bewohner zu vertreiben bzw. die Männer
für die Reichswehr zu mustern, was am 14.4.1937
auch geschah. Einige der Bruderhofmitglieder flohen
via Holland nach England oder in die Schweiz und
Liechtenstein.
Die Lektüre führt direkt in das Herz der Bruderhofbewegung,
die sich selbst als (neue) Hutterer verstand,
d.h. sich in der Tradition der reformatorischen
Täuferbewegung verorteten, gemeinschaftliches Leben
und radikalen und konsequenten Pazifismus vorlebten
und heute auch noch (in den USA, in England, Paraguay,
Australien und auch wieder in Deutschland) leben:
»Unser Ziel ist es, als Nachfolger Jesu zu leben – alles
aufzugeben für das Reich Gottes. Wir wollen Zeugen
sein, Leute, die nicht sich selbst verkünden, sondern
Christus.« (Eberhard Arnold, Mitbegründer des Bruderhofs).
Die Bruderhofmitglieder vom Rhön-Bruderhof
sahen ihre Aufgabe, auch im nationalsozialistischen
Deutschland, die Botschaft des Reiches Gottes, wie sie
Jesus in der Bergpredigt ansagte, zu verkündigen und ihr
treu zu bleiben, auch wenn das in letzter Konsequenz
den Tod bedeutete (S. 1). Die Bruderhofbewegung hat
nicht nur Wurzeln im Täufertum, sondern darüber hinaus
auch im Religiösen Sozialismus nach Hermann
Kutter und Leonhard Ragaz, in der deutschen Jugendbewegung
(bis 1920), in der Deutschen Christlichen
Studentenbewegung anfangs des 20. Jahrhunderts und
im syndikalistisch-genossenschaftlichen Anarchismus
nach Gustav Landauer. Eberhard Arnold, einer der
Mitbegründer des Bruderhofes, war von den Ideen
Hermann Kutters und Leonhard Ragaz’ überzeugt und
setzte sie zusammen mit seiner Frau Emmy, der Schwägerin
Else von Hollander und anderen um.
Die Dokumente sind chronologisch geordnet und
führen so sehr gut in die Geschichte des christlichen
Widerstands der Bruderhofbewegung gegen den Nationalsozialismus
ein; sie machen anhand der ausgewählten
Brief-, Text- und Bilddokumente vor allem auf
die menschenverachtende und gewalttätige NS-Ideologie
aufmerksam. Der Widerstand war biblisch begründet
(Röm 13/Apk 13) und zeigte die pazifistische Interpretation
z.B. der Bergpredigt Jesu bzw. der neutestamentlichen
Schriften, die das Verhältnis Kirche – Staat
thematisieren (z.B. S. 239ff.).