Rezension zu: Baumert, Norbert; Seewann, Maria-Irma (2016): Israels Berufung für die Völker Übersetzung und Auslegung der Briefe an Philemon, an die Kolosser und an die Epheser Reihe »Paulus neu gelesen«, Echter Verlag, Würzburg, 557 Seiten.
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.625Abstract
Die grundsätzliche These: Die drei Briefe haben
einen inneren Zusammenhang, sie seien echte Paulusbriefe,
gehörten zur Frühzeit des Apostels und seien
vor allem an christusgläubige Juden als Adressaten gerichtet
(siehe auch S. 515ff).
Das Autorenteam führt behutsam, aber konsequent
in die gegenwärtige Paulusdiskussion ein und vor allem
in die Kontroverse des Wo und Wann der Abfassung,
aber auch in das Wer der Adressatenschaft. Aufgrund
sehr präziser sprachlicher Untersuchungen kommen
Baumert/Seewann zu dem durchaus nachvollziehbaren
Schluss, die beiden Briefe (Eph und Kol) stammten
aus der Feder eines Autors, der beide Briefe zur gleichen
Zeit geschrieben und losgeschickt habe. Überraschend
auch die Konsequenz, dass der Epheserbrief mit dem
»verschollenen« Laodizäerbrief identisch sei (S. 13).
Die Annahme sei weiter auch, das Tychikos (Eph 6,21)
die Briefe überbracht habe. Der Epheserbrief sei darüber
hinaus der Gattung eines »Lehrbriefes« zuzuordnen
(S. 13). Die drei Briefe werden zuerst exegesiert
und kommentiert; es schließen sich sehr aufschlussreiche
und lesenswerte Exkurse an (insgesamt 16), danach
zur fortlaufenden Lektüre Arbeitsübersetzungen
und zum Nachdenken eine Art Zusammenschau der
Ergebnisse.
Im Brief an Philemon wird der Begriff »Gefangener
Jesu Christi« (Phlm VV1; 9; indirekt V 23) nicht mit
einem Gefängnisaufenthalt des Apostels verbunden,
sondern als geistliche Beziehungskategorie übersetzt
(S. 15). Diese Interpretation hat zur Folge, dass sich
der Blick auf die Abfassungszeit und auf Onesimus ändert.
Onesimus und Epaphras sind dann zuerst »Mitarbeiter
des Paulus auf Zeit«, was bedeutet, dass der
Brief vor 61 n.Chr. geschrieben sein muss. Dass Onesimus
eher als zeitlich begrenzter Mitarbeiter zu verstehen
ist, wird nachvollziehbar an 1 Kor 16,19 verdeutlicht
(S. 17). Pistis meint dann in neuem Interpretationsrahmen
Trauen/Vertrauen gegenüber den »Heiligen
«, die als jüdische Christusgläubige identifiziert werden
(S. 19), die in Christus einen Zu-Gewinn an Erkenntnis
und keine Aufhebung bisheriger Glaubensgrundlagen
pflegen (S. 20): »Sie erkennen, was Christus,
den diese als Sohn des Gottes Israels verehren, in
ihm und seiner Hausversammlung Gutes für sie bewirkt
hat.« (S. 21) Onesimus der Überbringer der Gaben
ist in der Interpretation des Autorenteams kein
»Sklave«, wie in der exegetischen Tradition oft angenommen
wird, sondern genauso wie Paulus rückgebunden
an Jesus Christus (S. 24), und Paulus benötigt
für diesen Dienst einen weiteren Mitarbeiter, um den er Philemon bittet. Der Philemonbrief wird in dieser
Perspektive zu einem »Bittbrief unter Freunden« (S. 29):
»Die Vermittlung des Evangeliums impliziert eine
›schuldige‹ Dankbarkeit dem Boten gegenüber« (1 Kor
9, 7-12; Lk 10, 7). Und da steht Philemon bei Paulus in
der Schuld, der ihn offenbar zu Christus geführt hat,
»wie nun auch den Onesimus« (S. 33). In der Übersetzung
des Phlm überraschen die Spritzigkeit, Sprachfrische
und auch der Sprachwitz (S. S. 475ff).