Elie Wiesels Beitrag zur Erziehung nach Auschwitz: pädagogische und theologische Aspekte
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.637Abstract
1 Einleitung: Wer war Wiesel?
Elie Wiesel gehörte zu den wichtigsten Persönlichkeiten,
die einen Beitrag zur Erinnerung an
den Holocaust geleistet haben. Er war ein authentischer
Repräsentant derer, die die unbeschreiblichen
Schrecken überlebten. Wiesel übernahm die
Rolle des Zeugen und betrachtete dies als Aufgabe
seines Lebens. In seinen Vorträgen wies er darauf
hin, dass das Vergessen der Toten gleichbedeutend
ist mit ihrer erneuten Ermordung. Viele Überlebende
waren auf Grund ihres Traumas und der
schrecklichen Erfahrungen, die sie verkraften mussten,
Jahrzehnte lang dazu nicht im Stande, darüber
zu reden, weil sie vergessen und für sich ein
neues Leben aufbauen wollten.
Elie Wiesel tauchte in einen »Ozean« der Erinnerung
ein und schritt in seinen Büchern die Erfahrungen
ab, die er und seine Generation erlebt
hatten, und wurde so zu einem der bekanntesten
Zeitzeugen. Augenzeugen gelten in allen Untersuchungen
zum Holocaust als die wichtigsten Träger
für die Erziehung zur Erinnerung an den Holocaust2,
da sie besonders authentische Informanten
sind und auch in didaktischer Hinsicht für die
Holocaust-Education eine entscheidende Rolle
spielen 3. Junge Menschen haben bestätigt, dass
ihre Begegnungen mit Überlebenden zu den wichtigsten
Erfahrungen im Prozess von Erziehung
überhaupt und von Erziehung im Blick auf den
Holocaust im Besonderen gehörten4.
In seinen Veröffentlichungen und vor allem in
seinem Buch Nacht 5 bietet Wiesel ein besonderes
Zeugnis, damit vor allem junge Menschen zumindest
ein Stück weit nachempfinden konnten, was
damals geschah. Wiesel verfügte über eine ungewöhnliche
Begabung dafür, Elemente des Bösen
zu beschreiben. In einer einfach, unprätentiösen
Sprache brachte er es fertig, komplexe Situationen
zu beschreiben und zu vereinfachen, um sie für
seine Leser auf nachvollziehbare Weise zugänglich
zu machen. In vielen seiner Texte setzt sich Wiesel
mit der Unmöglichkeit auseinander, das Böse
darzustellen, ebenso mit der Pflicht, es begrifflich
zu fassen und Lesern zu erschließen.6
2 Ein Mann der Kontraste
Elie Wiesel war ein Mann der Kontraste; er
war gleichzeitig Kämpfer und Friedenssucher. Er
kämpfte gegen menschliche Übeltaten, erwarb
aber gleichzeitig Ansehen für seine Bemühungen
um den Frieden zwischen Menschen und Völkern.
Er schrieb über das Wesen des Menschen,
über Liebe, menschliche Beziehungen und hauptsächlich
über die Pflicht der Menschheit, nach
einer besseren Welt zu streben, auch angesichts
der Schrecken des Holocaust.
Es bestand in seiner Person eine bemerkenswerte
Trennung zwischen der Gestalt eines Überlebenden
des Holocaust, von dem man erwartete,
er würde unglücklich erscheinen, und seinem
angenehmen, jedem Menschen zugewandten Lebensstil,
was viele Leute nicht zusammen brachten.
Sein Leben wurde zur Legende, weil er es
aus Abgründen heraus aufbaute – wie in einer Legende.