Das Gottesbild in den biographischen Schriften Elie Wiesels. Impulse für den Religionsunterricht
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.640Abstract
1 Einleitung
»Letztlich werde ich niemals aufhören, mich
gegen diejenigen zu empören, die Auschwitz
geschaffen oder zugelassen haben. Gott eingeschlossen?
« fragt Elie Wiesel in seiner Autobiographie
Alle Flüsse fließen ins Meer, nur
um direkt zu antworten: »Auch gegen Ihn werde
ich mich immer empören. Die Fragen, die
ich mir früher zum Schweigen Gottes gestellt
habe, sind offen geblieben.«2
Haben Sie sich schon einmal gegen Gott empört
oder hat sein Schweigen bei Ihnen ein Fragezeichen
hinterlassen? Der aus dem chassidischen
Judentum stammende Elie Wiesel war noch nicht
einmal 16 Jahre alt, als er und seine Familie aus
ihrer Heimatstadt Sighet nach Auschwitz-Birkenau
deportiert wurden. Der kurze Befehl »Männer auf
die eine, Frauen auf die andere Seite« trennte ihn
für immer von seiner Mutter und seiner kleinen
Schwester Tsiporah.
Erst zehn Jahre nach seiner Befreiung aus dem
Konzentrationslager Buchenwald, in welchem sein
Vater kurz zuvor verstarb, begann Elie Wiesel über
die schrecklichen Erlebnisse der Schoah zu berichten.
Dabei begleitete ihn die immer wiederkehrende
Frage nach der Anwesenheit Gottes in dieser
menschlichen Tragödie, ja ob diese Anwesenheit
mit dem Schrecken der Schoah überhaupt zusammen
gedacht werden kann. Wiesel hat nicht mit
Gott gebrochen, sondern er schrie zu ihm, klagte
ihn an, sprach ihn schuldig und wandte sich doch
nicht von ihm ab. Ist Gott einer, der mit seinem Volk
leidet oder es alleine zurücklässt? Welche Bilder
von Gott zeichnet Elie Wiesel, und was hat das
noch mit den Schülerinnen und Schülern* der heutigen
Zeit zu tun?
2 Didaktischer Kommentar
»Wiesels Gott ist in keiner Weise statisch, vollständig,
unveränderlich, allmächtig oder allwissend.
Sein Gott ist vielmehr fähig sich zu
verändern, zu leiden, zu weinen, sich von dem
berühren zu lassen, was auf diesem Planeten
geschieht.«3
Aufgrund dieser Offenheit und Ambivalenz
der Gottesbilder Wiesels bietet es sich an, diese mit
den persönlichen Gottesbildern der SuS ins Gespräch
zu bringen. »Denn eine subjektorientierte
Religionspädagogik schließt sowohl die Anerkennung
von Jugendlichen als Subjekte wie auch die
Unterstützung ihrer Subjektwerdung ein.«4
Um die SuS bei ihrer Subjektwerdung zu unterstützen
und Anreize zur Selbstreflexion zu geben
sowie zur Reflexion der eigenen Gottes beziehung
zu befähigen, wurde der vorliegende Unterrichtsentwurf
konzipiert. Genauer wurde er für die
gymnasiale Oberstufe entwickelt, kann allerdings
auch in der Firmkatechese verwendet werden.
Exemplarisch haben wir uns an den Kompetenzanforderungen
des Bildungsplans Baden-Württemberg
von 2016 orientiert. Er ist an die fachübergreifende
Leitperspektive »Bildung für Toleranz
und Akzeptanz von Vielfalt« zurückgebunden.
Für den spezifischen Fachbereich der katholischen
Religionslehre sind die Einheiten »Gott« und
»Religionen und Weltanschauungen« relevant.
Der Entwurf knüpft bei der persönlichen Gottesfrage
der SuS sowie bei ihrer Fähigkeit zum interreligiösen
Dialog an.
Für Wiesel ist »Schreiben letztlich ein Dialog
zwischen Mensch und Gott«.