Das Buch Nacht von Elie Wiesel als Ganzschrift im Religionsunterricht
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.643Abstract
»Stellen Sie sich vor«, erzählte Elie Wiesel bei
einer Tagung in Deutschland, »wie ich nach Auschwitz
kam. Jeder von uns durfte nur einen Koffer
von zu Hause mitnehmen.«
Mit Schülerinnen und Schülern* hatte ich oft
überlegt, was wir in einem Koffer mitnehmen würden,
müssten wir unser Haus, unsere Heimat in
eine ungewisse Zukunft hinein verlassen. Smartphone,
bestimmte Kleidung, Schmuck, liebgewonnene
Gegenstände aus dem Zimmer usw.
»Was ich mitnahm?« berichtet Wiesel weiter:
»Meinen Tallit, meine Tephillin, also Gebetsschal
und Gebetsriemen, einige religiöse Bücher, diverse
rituelle Gegenstände – sonst nichts. So kam ich
nach Auschwitz.«
Seine schlimmen Erfahrungen riefen Verzweiflung
hervor – Verzweiflung am Menschen und an
Gott. Und dennoch ist sein weiteres Leben durchzogen
von einer unbändigen Hoffnung, dass Ähnliches
nie wieder geschehe. Die Erinnerung an die
Schrecken der Vergangenheit soll uns ermöglichen,
die Zukunft dieses Planeten menschlich zu
gestalten.
»Erinnerung ist Hoffnung – und Hoffnung ist
Erinnerung«, schreibt Elie Wiesel später.
Die ungeheure Spannung zwischen Hoffnung
und Verzweiflung, zwischen vertrauender Hingabe
und schmerzvoller Klage gegen Gott machen
Elie Wiesel zu einem der wichtigsten Zeugen für
die Humanität, aber auch zu einem der profiliertesten
Glaubenszeugen.
Voraussetzungen der Jugendlichen heute
• Für SuS ist das Thema »Auschwitz« oft weit,
weit weg. Es gibt indirekte oder direkte Widerstände,
sich damit zu beschäftigen, weil man
es »nicht mehr hören kann«. Der Eindruck
auf Seiten der SuS ist nicht selten: (Zu) viele
Lehrer (zu) vieler Fächer würden mit diesem
Thema kommen, man sei übersättigt damit.
• Dagegen stehen Äußerungen von SuS, die
eine Unterrichtseinheit zu Elie Wiesel mitgemacht
hatten, wie: »Zum ersten Mal haben
wir uns ganz anders diesem Thema genähert,
nicht nur durch Statistiken und Zahlen.« »Elie
Wiesels Buch Nacht ist das wichtigste Buch,
das ich je gelesen habe.« »Es sollte Pflicht werden
im Lehrplan, alle Schüler in Deutschland
sollten es lesen.« –Wie kommt es zu diesen so
unterschiedlichen Einschätzungen?
• Tatsache ist, dass das Thema NS-Vergangenheit
heutige Jugendliche in Deutschland und
Österreich nach wie vor umtreibt, allerding oft
unbewusst. Öffentlichkeit, Medien, Elternhäuser
und Schule messen dieser Sache äußerste
Bedeutung zu – positive oder negative, was
junge Menschen spüren. Sie wissen z. B.: Tauchen
Hakenkreuze auf dem Schulhof auf,
wird die Lehrerschaft und Direktion in hellste
Aufregung versetzt und die Polizei alarmiert.
Außerdem berichten viele Jugendliche von Erfahrungen,
dass sie sich im Ausland – wenn
auch noch so subtil – als Deutsche herabgesetzt
fühlten.