Abrahamische Ökumene?

Autor/innen

  • Bernd Schröder

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.645

Abstract

In Deutschland erblüht in unverhofftem Maße
wieder jüdisches Leben und zugleich wächst, nicht
zuletzt durch die Flüchtlingsströme der Gegenwart,
neuerlich die Zahl und Pluralität der Muslime.
4 Beides erneuert und verdringlicht die Einladung
an Christinnen und Christen, mit Juden wie
Muslimen ins Gespräch zu treten.
Allerdings haben christlich-jüdisches und christlich-
islamisches Gespräch nicht nur unterschiedliche
Gesprächspartner und Themen, sondern auch
unterschiedliche Gründe und Anlässe, sie haben
ihre eigene Geschichte, erfordern bei den (christlicherseits)
Beteiligten unterschiedliche Kompetenzen
und werden von verschiedenen Motivationen
getragen. Zugleich weisen sie zahlreiche
Parallelen – im Wortsinn – auf, d.h. sie haben in
vielerlei Hinsicht eine ähnliche Laufrichtung, ohne
ineinander aufzugehen. Parallel sind etwa Themen
wie die jüdische und muslimische Anfrage an
den Monotheismus des Christentums (Kritik der
Trinitätslehre und »Menschwerdung« Gottes) oder
die Diskussion um den Stellenwert der »Weisung«
Gottes (»Torah«, »Scharia«, »Gesetz«), parallel
liegt die Zielrichtung, z.B. das Streben nach »Konvivenz
« (gegenseitige Hilfeleistung, wechselseitiges
Lernen, gemeinsames Feiern),5 und parallel
liegen manche Anlässe für das Gespräch miteinander:
die Initiative gegen Antisemitismus/Fremdenfeindlichkeit
oder die Aufgabe, gemeinsame Feiern,
etwa in der Schule, zu gestalten.
Für Gespräch und Annäherung sprechen weitere
wichtige Gründe:
1. ein gesellschaftlicher: Unter denen, die »Religionen
« noch Gutes für eine (post-)moderne Gesellschaft
zutrauen, besteht weithin die Erwartung,
dass die drei Religionen, die in Deutschland
historisch und demografisch prägend sind, gemeinsam
auf ethische und weltanschauliche Herausforderungen
reagieren: Sie sollen etwa drängen
auf Respekt vor der »Schöpfung« in so strittigen
Fragen wie Klimawandel, Humangenetik oder
Sterbehilfe. Um des Stellenwertes der Religionsgemeinschaften
in der Gesellschaft willen ist es
gut, dieser Erwartung auf gemeinsame Positionierung
und gemeinsames Handeln zu entsprechen
– soweit es sachlich möglich ist.
2. ein kirchenpolitischer Grund: Die Sachwalter
des christlich-jüdischen wie des christlich-islamischen
Gesprächs gehören zu einer evangelischen
(oder katholischen usw.) Kirche, deren Glaubwürdigkeit
es nicht gut zu Gesicht steht, wenn sie in
den verschiedenen Gesprächszusammenhängen
mit unterschiedlichem Akzent spricht. Koordinationsbedarf
besteht etwa bei folgenden Fragen:
Kann neben der Absage an die »Judenmission«
ein Ja zur Mission unter Muslimen stehen? Kann
die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann
und Frau im orthodoxen Judentum honoriert, im
Islam hingegen als Indiz für Rückständigkeit interpretiert
werden? Koordinationsbedarf heißt
nicht, dass in allen solchen Fällen symmetrische
Lösungen gefunden werden (sollten) – es heißt zunächst
einmal, dass die Positionierung einer evangelischen
oder katholischen Kirche im Gespräch
mit Juden wie mit Muslimen nicht in gegenseitiger
Unkenntnis der Gesprächszusammenhänge
bzw. der Argumentationsmuster verlaufen sollte.

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Veröffentlicht

2021-01-23