»…nie wieder hinter Auschwitz zurück.« Johann Baptist Metz (1928 – 2019). Nachruf

Autor/innen

  • Reinhold Boschki

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.457

Abstract

Johann Baptist Metz war einer der profilitertesten
deutschsprachigen Theologen der zweiten
Hälfte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts.
Er war Impulsgeber für Generationen von
Theologinnen und Theologen in Deutschland,
Europa und darüber hinaus, insbesondere in Südund
Nordamerika.
1928 im oberpfälzischen Auerbach geboren,
studierte er ab 1948 in Bamberg, Innsbruck und
München katholische Theologie und Philosophie.
Bereits 1952 wurde er mit einer philosophischen
Arbeit über Heidegger promoviert, zehn Jahre später
schrieb er in Innsbruck eine theologische Dissertation
bei Karl Rahner. 1954 wurde er zum
Priester geweiht. Von 1963 bis 1993 lehrte er als
Professor für Fundamentaltheologe an der Universität
Münster.
Dort entwickelte er die »Neue politische Theologie
«, die, gespeist von der biblischen Verheißung,
als kritische Instanz die gegenwärtigen Strukturen
in Kirche und Gesellschaft unter die Lupe nimmt
und Missstände schonungslos anprangert. Unablässig
kritisierte er ein »verbürgerlichtes« und privatisiertes
Christentum. Mit der politischen Theologie
lieferte Metz wesentliche Impulse für die Formulierung
einer »Theologie der Befreiung« in
Lateinamerika.
Doch der Zentralpunkt seines theologischen
Denkens bildete die Reflexion der Schreckenserfahrung
des Holocaust. Seine Grundfrage war: Wie
kann man nach Auschwitz noch an Gott glauben?
Metz begann als einer der wenigen christlichen
Denker eine konsequente »Theologie nach
Auschwitz« zu fordern, die niemals mehr hinter
Auschwitz zurückfallen darf und alle theologischen
Aussagen auf den Prüfstand stellt, ob sie angesichts
von Auschwitz
noch Bestand haben. Aus
diesem Geist schrieb er
den Grundlagentext des
Dokuments »Unsere Hoffnung«, das 1975 als Beschluss
der »Würzburger Synode« mit überwältigender
Mehrheit verabschiedet wurde.
Die Situation nach Auschwitz erfordert auch
ein radikal neues Verhältnis zum Judentum, das seine
Theologie durchzieht. Walter Benjamin, Theodor
W. Adorno und Elie Wiesel bilden wichtige literarische
Gesprächspartner seines philosophischtheologischen
Ansatzes. 2002 bekam er für sein
Engagement im christlich-jüdischen Dialog die
Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen.
Unablässig forderte Metz aufgrund der Erinnerung
an das Leiden, der Memoria Passionis, eine
neue Empfindlichkeit für alle Leidenssituationen
unserer Tage. Eine »leidempfindliche Theologie«
verändert ihr eigenes Gepräge, wird weniger siegesgewiss,
weniger auf- und übertrumpfend, eher
zweifelnd, fragend, tastend.

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Veröffentlicht

2021-01-21

Ausgabe

Rubrik

Persönlichkeiten in Judentum und Christentum