Rezension zu: Martin Buber Werkausgabe Bd. 15 (2014): Schriften zum Messianismus herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Samuel Hayim Brody Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 742 Seiten.
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01.529Abstract
Im Band 15 der Martin Buber Werkausgabe sind
die Schriften zum biblischen und nachbiblischen Messianismus
von Juden und Christen gesammelt; allesamt
kreisen sie um die Frage nach der Königsherrschaft Gottes
oder zu Vorstellungen irdischer Theokratie bzw.
Hierokratie (Priesterherrschaft). Neben den Schriften
Königtum Gottes, Der Gesalbte und Das messianische
Mysterium sind es Texte, wie das Protokoll der Arbeitsgemeinschaft
zum Buche Schmuel oder Die Geschichte
des Messianismus, die Bubers Fähigkeiten der Schriftauslegung
unter Beweis stellen und auch die lebhafte
Auseinandersetzung mit der exegetischen, orientwissenschaftlichen
oder religionswissenschaftlichen Zunft
seiner Zeit – Bubers Auslegungen sind darin nicht unwidersprochen
geblieben. Messianismus sei »eine Kategorie
der modernen wissenschaftlichen Beschäftigung
mit der Religion, die das uralte Verlangen nach der Figur
des Erlösers in einen vergleichenden Kontext stellt«
(S. 13). Im babylonischen Exil werde das Konzept politisch
um einen Messias als zukünftigen König aus der
Davididen-Linie erweitert (S. 14). Der Apostel Paulus
interpretiere dann wiederum dieses Konzept um und
deute es auf Jesus Christus, der eschatologischer König
von Juden und Christen zugleich sein soll (S. 14). Mit
Entwicklung der Judenverfolgung ab dem 16. Jahrhundert
werde die Idee des politischen Messianismus wieder
aufgenommen, wobei man sich jedoch in der Aufklärungszeit
von der »Idee der transzendenten Ankunft
eines menschlichen Messias« (S. 15) wieder verabschiede.
1910 formulierte der junge Martin Buber bereits,
dass »Messianismus … die Idee der absoluten Zukunft,
die aller Realität der Vergangenheit und Gegenwart gegenübersteht
als das wahre und vollkommene Leben«
anzusehen sei (S. 13), oder: »Der Messianismus ist die
am tiefsten originale Idee des Judentums« (S. 13).
Das Buch nimmt mit folgender Gliederung Fahrt
auf:
– Das messianische Mysterium (Jesaja 53) (1925)
– Arbeitsgemeinschaft zu ausgewählten Abschnitten
aus dem Buch Schmuel (13.–19. 8.1928)
– Königtum Gottes 1932, mit Vorworten zur ersten,
zweiten (1936) und dritten Auflage (1955)
– Geschehende Geschichte. Ein theologischer Hinweis
(1933)
– Der Gesalbte (Das Volksbegehren; Die Erzählung
von Sauls Königswahl; Samuel und die Abfolge
der Gewalten)(Druckvorlage 1938, gedruckt
in den 50iger Jahren)
– Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche
Stunde (1954)
– Zur Geschichte des Messianismus (undatiert,
wahrscheinlich frühe Schrift um 1909 – 1914)
Die grundsätzliche Frage, die Buber stellt: Müssen
Menschen geführt werden, und ist eine Gemeinschaft
ohne Führer/Führung möglich (S. 76)? 1925 diskutiert
Buber an der Hebräischen Universität das Verhältnis
zwischen Messianismus und den deuterojesajanischen
Gottesknechtsliedern (S. 37) schon als qualitative und
nicht politische Beziehungsfrage und -aufgabe zwischen
Gott und Mensch. Religion sei dabei die »reale BezieBuber darin, dass der Gottesknecht unbekannt sei und
eben kein öffentliches Amt bekleide (S. 43).
Der Messias als Beziehungssymbol wird von Buber
dann in seinen Interpretationen des Buches Schmuel
(S. 46 – 91) weiterentwickelt: »Das menschliche Elend
wird ergriffen, durchschüttert, umgeschmolzen, aber
Offenbarung wird nicht wie in ein leeres Gefäß ergossen.
« (S. 48) Der dort von Buber verwendete Begriff
Theokratie bleibt ambivalent, der richtige Messias sei
dann der, der den Willen Gottes tut, Recht spricht, Gerechtigkeit
übt und so die Königsherrschaft Gottes erfüllt
(S. 56)! Der Gesalbte werde zum Träger eines dauernden
göttlichen Auftrags und mit Geist begabt (S. 64).
Höchst attraktiv ist dann der Begriff der Sünde bzw.
des Sündigens. Buber setzt Sünde mit Entscheidungslosigkeit
gleich, weil der Sünder sich nicht gegen die Sünde
entscheidet (S. 71). Umkehr sei dabei nicht Rückkehr,
sondern »Achsendrehung des Lebens« (S. 72).
Gegen einen instrumentalisierten Sündenbegriff wendet
Buber ein: »Die Bibel ist nicht das Wort Gottes, sondern
eine menschliche Sache, die aus Berührung mit
dem Wort Gottes hervorgegangen ist.« (S. 72) Gott sei
König des Volkes, aber eben darin auch König der Welt
(S. 85).
Im Vorwort zu Königtum Gottes gibt Buber seine
Intention an, ursprünglich einen dreibändigen theologischen
Kommentar zu verfassen, was auf eine Gemeinschaftsidee
mit Franz Rosenzweig im Zuge der Bibelübersetzung
zurückging (S. 94). Im ersten, letztlich
veröffentlichten Band des Gesamtwerkes diskutiert Buber
anhand der biblischen Geschichte Glaubensvorstellungen
des frühen Israel zum sog. Volkskönigtum Gottes
(S. 94) und betont: »Der messianische Glaube Israels
ist, …, seinem zentralen Gehalt nach das Ausgerichtetsein
auf die Erfüllung des Verhältnisses zwischen
Gott und Welt in einer vollkommenen Königsherrschaft
Gottes« (S. 95).