»Scheiß Jude«. Eine Reflexion zu Antisemitismus in der Praxis der Jugendarbeit

Autor/innen

  • Jürgen Rausch

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.538

Abstract

Wir erleben in einer nicht erwarteten Art und
Weise einen Rechtsruck in Europa, der selbst vor
gewachsenen Demokratien nicht Halt macht. Politiker,
die in demokratisch verfassten Verfahren
als Vertreter des Volkes in bundesdeutsche Parlamente
gewählt worden sind, gebrauchen den Duktus
des Nationalsozialismus, rechtspopulistische
Bürgerbewegungen haben nach wie vor Zulauf
und verteidigen mit Vehemenz eine Präsenz im
öffentlichen Raum.
Wir erleben aber auch, wie der ECHO-Musikpreis
an Kollegah und Farid Bang vergeben und erst
nach massiven Protesten wieder zurückgenommen
wird. Und damit ist der Fall scheinbar egalisiert,
obwohl bekannt ist, dass innerhalb des deutschen
Hip-Hops sowie der so genannten Gangsta-
Rap-Szene Bezugnahmen auf rechtspopulistische
und rechtsextreme Inhalte zunehmen.
»Migrantische (Gangsta-)Rapper verbreiten bei
ihrer textlichen Bearbeitung des Palästina-Konflikts
antiisraelische bzw. antijüdische Ressentiments
(Juden-Diss). Dabei wird Gewalt gegen
Israel propagiert« 2:
»Ich steh für das an was ich glaube,
es ist so traurig, Tränen werden zu Blut,
ich fühle mit euch – haltet durch Arabisch-
Deutscher Bund! Wir lieben unsre Länder,
wir lassen es nicht zu. Einen Fick auf
Amerika, ich hab mit euch gar nichts
zu tun – Israel – die Bombe mach tick
tick tick bumm!« 3
Im Streit unter Jugendlichen fallen immer wieder
einmal Worte wie Du Jude, Scheiß Jude 4 oder
Verpiss dich du Judensau. Oft bleiben Reaktionen
der nicht direkt Beteiligten aus. Sind es bloß »Redewendungen
«, die als Ausdruck einer Jugendsprache
gewertet werden müssen und von denen
der Anwender nicht mehr erwartet, als dass er dabei
cool oder lässig wirken kann bzw. sein Gegenüber
provozieren und beleidigen kann? Kann es
hingenommen werden, dass, wer derartige Ausdrücke
gebraucht, als unwissend oder naiv bezeichnet
wird und deshalb unbehelligt bleibt?
Nicht nur in der Schule sind diese Fragen relevant,
auch die Jugendarbeit ringt wieder zunehmend
mit Erscheinungsformen von latentem und
migrantischem Antisemitismus und einer zunehmenden
Radikalisierung im Umgang mit diskriminierenden
Ausdrucksformen. Und wie auch in
den Schulen, zeigen sich die Jugendarbeiter und
Jugendarbeiterinnen häufig untätig, auch weil ihnen
eine eigene Haltung dazu fehlt, sie sich nicht
gefordert sehen, Stellung zu beziehen oder ihnen
die notwendigen Handlungsoptionen fehlen, um
korrektiv und präventiv agieren zu können.
Insbesondere in der offenen Kinder- und Jugendarbeit
mit wechselnden Gruppenkonstellationen
und den offenen strukturellen Rahmenbedingungen
sind Jugendarbeiter und Jugendarbeiterinnen
in besonderer Weise gefordert. Die nachfolgenden
Ausführungen haben dieses Handlungsfeld
mit seinen unterschiedlichen spezifischen
Herausforderungen und Akteuren im Blick.

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Veröffentlicht

2021-01-22