Rezension zu: Seidel, Stefan (2018): Für eine Kultur der Anerkennung Beiträge und Hemmnisse der Religion Würzburg: Echter, 223 Seiten.

Autor/innen

  • Heike Jansen

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.552

Abstract

Stefan Seidel reflektiert den Menschen als in seinen
Beziehungen auf Anerkennung angewiesenes Wesen.
Er erläutert einleitend (S. 7– 24): In einer Zeit immer
härter werdender Kämpfe um Anerkennung kann die
Suche nach dem Eigenen zur Ablehnung anderer führen,
in verdichteter Form als Angst vor dem Islam. (S. 7)
Anerkennungsverhältnisse werden als fragil, bedroht
und umkämpft erlebt. (S. 9)
Seidel sieht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
darin, Formen wechselseitiger Anerkennung der verschiedenen
Religionen, Kulturen, Denk- und Lebensweisen
zu finden. (S. 12) Das von Beziehung geprägte
Gottesbild der jüdisch-christlichen Religion kann dies
fördern. (S. 13f) Die Potentiale dieser religiösen Tradition
können aber nur von Menschen genutzt werden,
die auch zur Anerkennung anderer fähig sind. (S. 16)
Ziel des Buches ist es, wichtige aktuelle sozialphilosophische,
psychoanalytische und theologische Konzepte
einer Anerkennungstheorie als Grundlagen eines
Diskurses darzustellen, verbunden mit Überlegungen
zur Rolle der Religion. (S. 23) In sozialphilosophischer Perspektive (S. 25 – 89) ist
für Axel Honneth Anerkennung Grundbedürfnis und
Ziel sozialer Bestrebungen. (S. 25) Der Mensch in sozialer
Gemeinschaft und in seiner Selbstbeziehung ist
grundlegend abhängig von der Erfahrung intersubjektiver
Anerkennung seines Lebens und seiner Leistungen.
(S. 31) Der Erwerb von Selbstvertrauen, Selbstachtung
und Selbstschätzung ermöglicht ihm die Identifikation
mit eigenen Zielen und Wünschen als autonomes
und individuelles Wesen. (S. 32) Seidel sieht hier
die Religion der jüdisch-christlichen Tradition in einer
unterstützenden Rolle. (S. 33)
Judith Butler unterscheidet zwischen betrauerbarem
und unbetrauerbarem Leben (S. 34), wobei die Anerkennbarkeit
in der Wahrnehmung als Mensch liegt,
der in einer normativ begründeten Gesellschaft Bedingungen,
Kategorien und Konventionen erfüllt. (S. 37) Seidel
vergleicht hier mit dehumanisierenden, sozialpsychologischen
Mechanismen der NS-Herrschaft. (S. 39)
Das Anerkennungspotential der Religion sieht er in der
Postulierung einer universalen menschlichen Würde
jenseits kultureller und ideologischer Rahmensetzungen.
(S. 46)
Für Avishai Margalit sind Achtung, Würde und
Nichtdemütigung Achsen einer »anständigen Gesellschaft
«. (S. 57) Soziale Stigmata und Sehgewohnheiten
sind Ausschlusskriterien. (S. 59) Seidel folgert, dass eine
Kultur der Anerkennung davon abhängt, dass Religion
den Einzelnen in seinem Selbstwert stärkt und seine
gesellschaftliche Integration auf der Basis der Menschenrechte
unterstützt. (S. 62)
Charles Taylor hebt hervor, dass gesellschaftliche
Nicht-Anerkennung fatale Folgen für das Selbstwertgefühl
der Betroffenen haben kann, die identitär zerstörerisch
wirken (S. 77f). Die Rolle der Religion liegt in
ihrer eschatologischen Relativierungsfähigkeit. Gleichzeitig
kann sie in multikulturellen Gesellschaften Modellfunktion
haben für ein Zusammenleben trotz Verschiedenheit.
(S. 80) Zudem könnten Religionen gemeinsam
ethische Ressourcen verbinden und in die Gesellschaft
einbringen. (S. 81)

Downloads

Veröffentlicht

2021-01-22