Toben der Völker (Ps 2). Rabbinisch-benediktinische Betrachtungen

Autor/innen

  • Daniel Krochmalnik
  • Sr. Raphaela Brüggenthies

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.574

Abstract

Psalmbau
Psalm 2 besteht aus 12 Versen, die in vier Strophen
von jeweils 3 Versen unterteilt werden können.
Jede Strophe stellt einen gesonderten Akt
und Sprechakt dar:
1 Vers 1– 3
Völker und Fürsten: Auflehnung (A)
2 Vers 4 – 6
Gott: Salbung (B)
3 Vers 7– 9
Messias: Ermächtigung (B’)
4 Vers 10 –12
Ratgeber: Belehrung (A’)
Die ganze Aktion ließe sich als Inthronisation
beschreiben; die Abfolge der Akte: Unktion, Adoption,
Proklamation, Akklamation folgt einem Protokoll,
das auch sonst in der Ikonographie des altorientalischen
Gottesgnadentums belegt ist.3
Es trifft es aber nicht, wenn wir diesen Königspsalm
mit Begriffen wie Krönungsoratorium umschreiben,
vielmehr erinnert er an Kriegsbe richterstattung,
die in ihm geschilderte Haupt- und Staatsaktion
mutet an wie eine Notsalbung im Belagerungszustand.
Im Vordergrund spielt die Niederwerfung des
lärmenden Völkeraufstandes (Gojim, Amim,
Umot). Der Psalm tut die Rebellion zwar als chancenlosen,
lächerlichen Zwergenaufstand ab. Er
fällt deshalb mit den spöttischen Fragen ins Haus:
Was (Lama) soll die ganze Aufregung? Wozu die
sinnlosen Umsturzpläne? (1). Das öffentliche Murren
(lat.: fremere) und heimliche Raunen (lat.:
meditari) der Völker und Nationen wirkt wie hohles
Geschwätz, Einigkeit wird für diesen lockeren
Konvent nur in der Gegnerschaft hergestellt (lat.:
convenerunt in unum adversus). Über die Liliputaneraktion
bricht der Himmelsthroner in ein homerisches
Gelächter aus (4). Allerdings zeigen
seine wutschnaubende Reaktion (5) und die langatmige
Drohung im Abspann (9 – 12) auch, dass
die Lage ernst war und die Gefahr keineswegs gebannt
ist. Die Warnung an die potentiellen Rebellen:
»Jubelt mit Zittern« (Gilu BiRada) findet sogar
ihre Freude bedenklich und befürchtet, ihr Karneval
könnte im Krawall enden.
Im Psalm herrscht gleichwohl ein felsenfester
messianischer Glaube an die Bewältigung des
Chaos und die Wiederherstellung der politischen
Ordnung. In der genauen Mitte des Psalms ragt
unerschütterlich der Zion und auf ihm thront der
Messias (6), um diese Mitte herum kehrt sich das
anfängliche Chaos chiastisch in Ordnung um
(ABB’A’), wobei sich die Randstrophen – Ungehorsam
(A) und Unterwerfung (A’) – und die Innenstrophen-
Einsetzung (B) und Ermächtigung
(B’) – paarweise entsprechen. Diese Heilsbotschaft
– das erste Wort des letzten Kolons lautet Aschre
(Heil, Glück, Selig …, 12) – wird durch die vielen
Adverbien der Zeit einst, heute, bald weiter unterstützt.

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Veröffentlicht

2021-01-22

Ausgabe

Rubrik

Jüdisch-christliche Bibellektüre