Nr. 2 (2022): Neues aus der Elie Wiesel Forschung
Der Anfang ist bedeutsam und entscheidet über das Weitere. Diese tief in der jüdischen Tradition verwurzelte Weisheit haben die Mitglieder:innen der Elie Wiesel Forschungsstelle von Elie Wiesels Schriften und Botschaft gelernt. Der Auschwitz-Überlebende und Friedensnobelpreisträger wurde nicht
müde zu betonen, dass der erste Satz eines Romans, die erste Handlung in einem Projekt, die erste Minute einer Begegnung den folgenden Verlauf bestimmen. Aus diesem Grunde hatten wir uns im Jahr 2017 entschlossen, eine besondere Ausgabe an den Anfang der neuen Reihe Zeitschrift für christ -
lich-jüdische Begegnung (ZfBeg) zu stellen: einen Band zu Elie Wiesel, der von international renommierten Wissenschaftler:innen mit ausgezeichneten Beiträgen bestückt wurde. Die folgenden Hefte sind – so sind wir überzeugt – in einer ebenso qualitativ hochstehenden Weise zusammengestellt. Und nun, nach sechs Jahren, widmen wir die zwölfte Ausgabe der ZfBeg wiederum dem Überlebenden, allerdings mit einem anderen Konzept: Um die Botschaft der Erinnerung, die immer auch eine Botschaft der Hoffnung ist, wei ter zu erforschen und zu verstehen, legen wir mit dieser Ausgabe ein Heft vor, in dem jun ge Wissenschaftler:innen aus Europa und den USA ihre Sicht des Werks wiedergeben. Eine neue Generation stellt andere Fragen, sieht viele Dinge neu, hat frische
Ideen zur Deutung der Schriften Wiesels und kann auf diese Weise die Implikationen dieses bedeutenden Zeugnisses für Erinnerung und Menschenwürde auf kreative Weise neu bestimmen – ebenfalls ein neuer Anfang! Fast alle Autor:innen sind Mitarbeiter:in nen der Elie Wiesel Forschungsstelle, die in zwi schen an drei Universitäten vertreten ist: in Tübingen, Potsdam und Luxemburg. Doch wo Anfänge sind, müssen auch die Endpunktemitbedacht werden. So trauern wir um
unseren Freund und langjährigen Förderer der ZfBeg, Karl-Hermann Blickle, der am 25. Juli 2022
im Alter von 72 Jahren überraschend verstorben ist. Seine große Vision einer Verständigung zwischen
Jüd:innen und Christ:innen sah er auch in dieser Zeitschrift realisiert – nicht zuletzt aufgrund
der Offenheit für die Verständigung mit dem Islam, die auch die ZfBeg in ihre Grundsätze eingeschrieben hat. Einen Nachruf auf Leben und Werk von Karl-Hermann Blickle finden Sie auf den folgenden Seiten. Für beide Aktivisten, Elie Wiesel und Karl- Hermann Blickle, waren Begegnungen zentral. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich wie gewohnt auf die hier angebotenen literarischen
Begegnungen intensiv einlassen würden – um im ›realen‹ Leben für viele neue und bereichernde
interreligiöse Begegnungen sensibel und offen zusein