Vom jüdisch-christlichen Dialog zum jüdisch-christlich-muslimischen Trialog. Erfahrungen aus dem Stuttgarter Lehrhaus für Interreligiösen Dialog
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.617Abstract
1 Die Gründungsgeschichte der Stiftung
Stuttgarter Lehrhaus für Interreligiösen
Dialog und deren Leitgedanken
Das Datum des 7. Februars 2010 gilt als offizieller
Gründungstag der Stiftung Stuttgarter Lehrhaus.
Bei der Auftaktveranstaltung am Sitz der
Stiftung im Stuttgarter Westen verkündeten die
Gründungsstifter – Meinhard Mordechai Tenné,
sel. A., Lisbeth Blickle und Karl-Hermann Blickle
– gemeinsam den Stiftungszweck: »Den Dialog
und Trialog zwischen den Anhängern der drei monotheistischen
Religionen, zwischen Juden, Christen
und Muslimen auf der Grundlage von Toleranz,
Verstehen, Verständnis und Gleichberechtigung zu
führen.«
Wie kam es zur Gründung der Stiftung? Warum
beschlossen die Gründungsstifter, im Rahmen
der Stiftung Stuttgarter Lehrhaus den jüdischchristlichen
Dialog auf einen Trialog mit dem Islam
zu erweitern? »Wenn wir die Muslime miteinbeziehen,
mache ich bei der Stiftung mit.« Mit
diesen Worten gab unser jüdischer Stiftungsmitbegründer
und langjähriger Weggefährte im jüdischchristlichen
Dialog, Meinhard Mordechai Tenné,
den entscheidenden Anstoß für die trialogisch-programmatische
Ausrichtung unserer sich seit 2009
in der Entstehung befindlichen Stiftung.
Meinhard Tenné fand damit bei meiner Frau
und mir offene Ohren, weil wir das spannungsvolle
Nebeneinander von Juden, Christen und Muslimen
schon seit unserer gemeinsamen Zeit in Israel
und Palästina vor mehr als 40 Jahren kannten
und dazu gerne einen positiven Beitrag im deutschsprachigen
Raum leisten wollten. Aber wir waren
überrascht und erfreut, dass dieser Impuls durch
das Votum von Meinhard Tenné von jüdischer
Seite kam.
Dies war umso bedeutungsvoller, weil wir mit
dem Stuttgarter Lehrhaus bewusst an das historische
Vorbild des jüdischen Lehrhauses in Stuttgart
von 1926 bis 1938 anknüpfen wollten und
deshalb einerseits die jüdische Seite unter den
Gründungsstiftern vertreten sein sollte, gleichzeitig
aber nicht selbstverständlich zu erwarten war,
dass von jüdischer Seite der Einbezug der Muslime
nicht nur akzeptiert, sondern sogar aktiv eingefordert
wurde. Dass meine Frau und ich als Christen
mit einer langen Vorgeschichte im jüdischchristlichen
Dialog und Meinhard Mordechai Tenné
als einer der führenden Repräsentanten des Judentums
in Stuttgart, der als Jude die Schoah
überlebt hatte und sich seit Jahren im interreligiösen
Dialog engagierte, uns so einvernehmlich auf
die Ausweitung der geplanten Stiftung auf alle
drei abrahamitischen Religionen unter Einbezug
des Islam einigen konnten – das war die paradigmatische
und zugleich zukunftsweisende Grunderfahrung
bei der Entstehung der Stiftung Stuttgarter
Lehrhaus für interreligiösen Dialog.