Rezension zu: Christoph Markschies (2017): Reformationsjubliäum 2017 und der jüdisch-christliche Dialog, Studien zu Kirche und Israel Kleine Reihe 1 Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 128 Seiten.

Autor/innen

  • Stefan Hartmann

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.628

Abstract

Zu Martin Luthers Antisemitismus und Antijudaismus
gibt es zahlreiche Untersuchungen, zuletzt die historische
Arbeit Luthers Juden (Stuttgart 2014) von Thomas
Kaufmann, und ein von der Synode der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD) im November
2015 ausgesprochenes Schuldbekenntnis. Was bisher
fehlte, war eine theologische Herangehensweise an
den jüdisch-christlichen Dialog und seine Ergebnisse
unter dem Aspekt des Reformationsjubiläums. In den
vom Institut Kirche und Judentum an der Humboldt
Universität Berlin begründeten Studien zu Kirche und
Israel hat nun der erste Band der neuen Kleinen Reihe zwei Vorträge des Berliner Theologen und Patristikers
Christoph Markschies (Berlin) publiziert: eine Rede zur
Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 2016 und aus
demselben Jahr einen Beitrag zum interreligiösen Studientag
des Berliner Missionswerkes.
Markschies, dessen theologiegeschichtliche Qualifikation
(zuletzt erschien das große Werk Gottes Körper.
Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen
in der Antike) und wissenschaftsorganisatorische
Vernetzung mit derjenigen eines Adolf von Harnack
verglichen werden können, befasst sich zunächst mit
den Implikationen des reformatorischen Prinzips Sola
Scriptura auf den jüdisch-christlichen Dialog und betont
gegen Harnack und seine Nachwirkung bis in die
Gegenwart, dass es hier immer um die »ganze Schrift«
des Alten und Neuen Testamentes geht. Die von manchen
vorgeschlagene Eliminierung des »Ersten Testaments
« aus dem christlichen Kanon ist ja purer
Antijudaismus.
Der zweite Vortrag geht historisch und systematisch
dem hermeneutischen Prinzip des Solus Christus
nach und unterscheidet es von einem »Christomonismus
«, wie er bei Karl Barth und in der ersten These
der Barmer Erklärung von 1934 gesehen werden kann.
Auch hier muss es im jüdisch-christlichen Dialog um
den »ganzen Christus« und nicht bloß um die Heilstatsachen
von Kreuz und Auferstehung gehen. Dazu zählt
eben sein ganzes Leben als glaubender Jude, ein Gedanke,
der sich auch mit der katholischen Betrachtung
der »Mysterien des Lebens Jesu« berührt. Markschies
zitiert die kluge Ergänzung der ersten Barmer These
durch Berthold Klappert: »Der Jude Jesus Christus, wie
er uns in der ganzen Heiligen Schrift des Neuen und
des Alten Testamentes bezeugt wird und für dessen
Verstehen wir auch auf das Zeugnis des Judentums angewiesen
bleiben, ist das eine Wort Gottes, das wir zu
hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen
und zu gehorchen haben« (60). Eine Christologie, die
das Jude-Sein Jesu theologisch nicht ernst nimmt, wird
»notwendigerweise doketisch« (Eberhard Bethge). Nur
wenn der solus Christus unter Einschluss seiner Verwurzelung
im Judentum als totus Christus interpretiert
wird, kann er als reformatorisches Prinzip für den jüdisch-
christlichen Dialog hilfreich und fruchtbar werden.
Dann erst können auch die Fragen um die bei aller
Gnadenmacht (sola gratia) weitere Geltung der Torah
und die Rechtfertigung allein aus Glauben (sola fide)
eine Behandlung ohne antinomistische Tendenzen erfahren.

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Veröffentlicht

2021-01-23