Avital Ben-Chorin (1923 – 2017). Nachruf

Authors

  • Monika Beck

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.614

Abstract

Am 6. Oktober 2017 verstarb Avital Ben-Chorin,
Witwe vonSchalom Ben-Chorin. Sie durfte »mit
diesem faszinierenden Mann« über ein halbes Jahrhundert
verbringen und in erster Linie habe sie
ihn »bekocht«.2 Zu bescheiden, wenn man daran
denkt, dass bei den Mahlzeiten, beginnend mit dem
gemütlichen Frühstück, so manche Gedanken ausgetauscht
wurden, woraus später ein Werk hervorging.
Als Frau Ben-Chorin, bereits achtzigjährig
2003 in der Bischöflichen Akademie Aachen einen
Vortrag hielt, würdigte sie der damalige Akademiedirektor
Hans-Hermann Henrix mit den Worten:
»Die Lebensleistung von Schalom Ben-Chorin
ist ohne seine Frau Avital nicht denkbar. Die
Bildung, Persönlichkeit und Weltgewandtheit von
ihr haben ihrem Mann die Wirkungsmöglichkeit
gewährleistet. Sie war mehr als Voraussetzung,
sie war nämlich wichtiger Bestandteil und Grundzug
seines Wirkens und seiner Wirkung.« 3
Als Fritz Rosenthal wurde der große Religionsphilosoph,
Brückenbauer des christlich-jüdischen
Dialogs und Dichter am 20. Juli 1913 in München
geboren. Die deutsch-jüdische Symbiose war noch
im vollen Gange, doch der Antisemitismus loderte
im Untergrund und schlug zu mit dem versuchten
Hitlerputsch 1923. Das wirkte beängstigend
auf den Zehnjährigen, der das Haus wegen des aufgebrachten
Pöbels nicht verlassen konnte. Damals
wurde ihm sein Judesein als Anderssein bewusst.
Sein Studium der Germanistik und vergleichenden
Literaturwissenschaft sowie Theologie
und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-
Universität hatten die Machthaber im Jahr 1934
verboten. Als Jugendlicher schloss er sich der zionistischen
Jugendbewegung an und nannte sich
ab 1931 Schalom Ben-Chorin (Friede, Sohn der
Freiheit). Bei der zionistischen Bewegung traf er
zum ersten Mal Martin Buber. 1935 schlugen ihn
die Nazischergen auf offener Straße zusammen.
Ein Verbleib in Deutschland war gefährlich. Doch
Ben-Chorin schickte die von seiner in Argentinien
lebenden Schwester erhaltene Schiffkarte zurück.
Er ging nach Eretz Israel, in das damalige Britisch
Palästina, wohin ihn »der Kompass seines Herzens
zog«.4
In Jerusalem bewegte sich der Neuankömmling
im Kreis deutsch-jüdischer Persönlichkeiten
wie Martin Buber, Max Brod oder der Dichterin
Else Lasker-Schüler. Die meisten von ihnen blieben
in der deutschen Sprache haften, die angesichts
der Geschehnisse in Deutschland mehr Stiefmutter-
als Muttersprache war. Besonders mit seinem
Mentor und Lehrer Buber verband Ben-Chorin
eine tiefe Freundschaft, woraus das Buch Zwiesprache
mit Martin Buber entstand. Ein guter
Freund war auch Max Brod, dessen Jesusroman
Der Meister den Anstoß für Ben-Chorins meist
gelesenes Werk Bruder Jesus – Der Nazarener aus
jüdischer Sicht gab.

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Published

2021-01-23

Issue

Section

Persönlichkeiten in Judentum und Christentum