Rezension zu: Wiesel, Elie (2015): Raschi – Ein Porträt (aus dem französischen Original übersetzt, mit Quellenangaben, Erläuterungen und einem Nachwort versehen von Daniel Krochmalnik), Herder, Freiburg, 127 Seiten.

Authors

  • Wilhelm Schwendemann

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.650

Abstract

Elie Wiesel setzt mit diesem Porträt dem großen
mittelalterlichen Gelehrten Rabbi Schlomo Jizchaki (genannt
Raschi) ein narratives Denk-Mal, das jedoch nicht
nur zum Denken anregt, sondern für Wiesel einen leidenschaftlichen
Einsatz für das Humanum bedeutet
und für ihn persönlich so etwas wie einen Lebensbegleiter.
Im Vorwort des lesenswerten Büchleins stellt Wiesel
die Frage: »Warum Raschi?« Seine Antwort ist persönlich
gefärbt: »Seit meiner Kindheit begleitet er mich
mit seinen einleuchtenden Erklärungen und seiner Liebenswürdigkeit.
Seit meinen ersten Bibelstunden im
Cheder wende ich mich an ihn, um den Sinn eines Verses
oder eines dunklen Ausdrucks zu verstehen.« (S. 10)
Im ersten Kapitel des Buches schildert Wiesel seine
Eindrücke einer Frankreich-Reise, die ihn auch nach
Troyes auf die Spuren Raschis führt. Diese Reise ist
dann auch für Elie Wiesel eine Reise in die Erinnerung,
über Rabbi Schlomo Jizchaki (1044 – 1105) nachzudenken und in seine Spuren einzutreten. Raschi ist
nicht nur für Elie Wiesel der jüdische Kommentator
schlechthin, was ihn zum »Lehrer unserer Lehrer«
macht. Bis Ende des 13. Jahrhunderts lebten in Troyes
ca. 100 jüdische Familien, bis 1288 dann die Ritualmordanklage
kam. Wahrscheinlich hatten christliche
Fanatiker den Leichnam eines Kindes in das Haus des
jüdischen Gemeindevorstehers Isaak Chatelain gebracht;
er und seine ganze Familie wurden daraufhin
verhaftet, der Inquisition unterworfen, d.h. gefoltert,
und alle Familienmitglieder wählten den Freitod, den
Kiddusch Ha Schem, »den Opfertod zur Heiligung des
göttlichen Namens« (S. 12). Raschis Kommentare begleiten
Wiesel sein Leben lang und machten ihm Mut,
alles verstehen zu wollen und zu können: »Durch sein
Leben, seine Gelehrsamkeit, sein Werk, seine Großzügigkeit,
bleibt er die Quelle, an der wir uns laben. Ohne
ihn hätte mich mehr als einmal im riesigen Labyrinth
des Babylonischen Talmuds verirrt.« (S. 13) »Fürchte
nichts, ich bin an deiner Seite!! (S. 14)
Raschi ist für Elie Wiesel deshalb bedeutsam, »weil
er dem buchstäblichen Sinn des Textes treu bleibt«.
(S. 14) An Rabbenu Gerschom ben Jehuda (Meor Ha
Gola = Leuchte des Exils) wird ebenfalls erinnert (S.
15), der im Geburtsjahr Raschis 1040 starb (vgl. Koh
1, 5): »Wann immer in der Menschenwelt eine Geistessonne
untergeht, geht eine andere auf.« (S. 15)
Nach anderer Quellenlage ist jedoch Rabbi Gerschom
schon im Jahre 1028 gestorben. Zu dieser Zeit lebte die
jüdische Bevölkerung in Frankreich relativ unbehelligt:
»Brauchte man die Juden, ließ man sie in Ruhe. Danach
entledigte man sich ihrer wieder.« (S. 16) Im 11.
Jahrhundert verloren die Juden jedoch ihren Schutzstatus,
und christlicher Aberglaube schlug um in antisemitisches
Handeln. 1017 befiehlt Robert der Fromme
den Juden die Konversion (S. 17), 1012 werden die
Juden aus Mainz vertrieben, 1013 kehren sie wieder
zurück, aber ab 1095 (1. Kreuzzug) werden die Juden
in den jüdischen Gemeinden entlang des Rheins grausam
verfolgt, um die Kosten des Kreuzzugs zu finanzieren
(S. 17). Trotzdem hatte Raschi die besten
Möglichkeiten für sein Studium (S. 18).

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Published

2021-01-23