Friedrich-Wilhelm Marquardt: Evangelische Theologie nach Auschwitz

Autor/innen

  • Wilhelm Schwendemann

DOI:

https://doi.org/10.25786/zfbeg.v0i01-02.781

Abstract

1 Evangelische Halacha und die
Lebenstauglichkeit und Lebensdienlichkeit
biblischer Schriften
Für Friedrich-Wilhelm Marquardt (1928–
2002)2, einem Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaften
Juden und Christen beim Evangelischen
Kirchentag, ist der Begriff der Halacha 3 als Wegbeschreibung
des Glaubens angemessen, und die
Kirche sollte beginnen, auf das Judentum zu hören:
»Halachische Auslegungsweise dient ausschließlich
den Fragen eines bibelgemäßen Tuns, nicht
eines bibelgemäßen Denkens, und diskutiert meist
auch nicht das im Alltag selbstverständliche Tun,
sondern die Extrem- und Konfliktfälle, in die das
Leben einen mit seinen verschiedenen Situationen
und in den verschiedenen Zeitaltern stürzt.«4
Eine evangelische Halacha bedenke, so F.W.M.,
den Lebenswandel eines Menschen im Licht des
Evangeliums, d.h., es geht F.W. M. um eine dem
Evangelium gemäße Lebenspraxis5 bzw. eine dem
Evangelium entsprechende »Ordnung der Schriftauslegung
«6. Die Frage nach der Lebenspraxis und
Lebenstauglichkeit/Lebensdienlichkeit ist eine andere
theologische Frage als die nach dem Wissen,
Denken, Verstehen7 – die evangelische Halacha
»zielt aufs praktische existentielle Gottesverständnis
«.8 F.W.M. sieht hier eine Übereinstimmung
mit dem reformatorischen Grundsatz der Sola
Scriptura 9, und er bezieht sich auf Philipp Melanchthons
Loci Communes, wo es heißt: »Die
Geheimnisse der Gottheit [aber] sollten wir lieber
anbeten als sie zu erforschen.« 10 Lebendiges Gotteswort
und Offenbarungswahrheit dürfen nicht
gegeneinander ausgespielt werden.11 Für die Reformation
und die reformatorische Theologie war
die Frage nach der Lebensdienlichkeit und Lebenstauglichkeit
der Bibel der sensus tropologicus. 12

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Veröffentlicht

2021-09-23

Ausgabe

Rubrik

Persönlichkeiten in Judentum und Christentum