Ein Christ kann kein Antisemit sein. Die Kirchen als Akteure der Zurückweisung des Antisemitismus
DOI:
https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.537Abstract
Im Sommer 2018 wurde die deutsche Öffentlichkeit
durch Meldungen aufgeschreckt, die eine
auffällige Zunahme antisemitischer Vorfälle 2 beklagten.
Man sprach von einer Enthemmung in
antisemitischen Aktionen und Hetzen. Waren längere
Zeit antijüdische Vorurteile und Hassäußerungen
in der Öffentlichkeit nicht wahrzunehmen,
so hat sich dies geändert und zwar bis dahin,
dass über die Verwendung des Wortes Jude
als Schimpfwort auf Schulhöfen berichtet wird.
Ein Element von Israel-Bezug schwingt bei vielen
Äußerungen mit. Unter den muslimischen Flüchtlingen
bzw. Migranten gibt es solche, welche von
der Tradition der Ablehnung, ja des Hasses gegenüber
Israel in ihren Herkunftsländern geprägt sind.
Dass vor dem Hintergrund der langen Geschichte
einer kirchlichen bzw. christlichen Judenfeindschaft
nach einer möglichen anhaltenden
Wirkung dieser Tradition gefragt wird, ist nicht
verwunderlich. So hat ein von der Bundesregierung
eingesetzter Expertenkreis Antisemitismus
sich damit auseinandergesetzt. In seinem Bericht
von 2011 kommt der Expertenkreis nicht nur zu
der Feststellung, dass antisemitische Einstellungen
»im eindeutigen Widerspruch zu den offiziellen
Positionierungen der Kirchen« stehen.
Seit vielen Jahren verurteilen sowohl die katholische
wie auch die evangelische Kirche in ihren
Veröffentlichungen den Antisemitismus 3, und es
setzen sich die Lehrbücher des Religionsunterrichts
kritisch mit religiöser Judenfeindschaft und
antisemitischen Vorurteilen auseinander. Die jüngst
intensivierten kirchlichen Bemühungen der Prävention
gegenüber dem Antisemitismus bieten
aber noch keine Gewähr, dass »interne Diskussionen
frei von solchen Inhalten sind«. 4
Nun hat jüngst Johannes Heil, Rektor der Hochschule
für Jüdische Studien in Heidelberg, in einem
Interview, betont: »Es hat da einen wunderbaren
Prozess der Annäherung gegeben. Dies wurde
zwar unglückseligerweise erst angestoßen nach
1945, als die Kirchen ihre Mitverantwortung an
der Schoah, insbesondere deren Vorgeschichte,
bekannten. Doch seither gab es eine ausgesprochen
positive Entwicklung, die katholischerseits
in der Erklärung Nostra Aetate des Zweiten Vatikanischen
Konzils gipfelte: über die Haltung der
Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Insgesamt
gab es einen unvorstellbaren Fortschritt
bei der wechselseitigen Wahrnehmung und Anerkennung
«.5 Dem so nachdrücklich betonten
Fortschritt in der Haltung der Kirche gegenüber
dem Judentum sei nun etwas nachgegangen.