Rezension zu: Spichal, Julia (2015): Vorurteile gegen Juden im christlichen Religionsunterricht Eine qualitative Inhaltsanalyse ausgewählter Lehrpläne und Schulbücher in Deutschland und Österreich. Arbeiten zur Religionspädagogik, Bd. 57, Göttingen.

Autor/innen

  • Valesca Baert-Knoll

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i03.550

Abstract

Während Antisemitismus und offene Feindschaft gegen
Juden ein gesellschaftliches Tabu sind, ereignet sich die
(ungewollte) Verbreitung von Vorurteilen oder Fehlinformationen
über das Judentum nahezu unbeachtet im
täglichen, gesellschaftlichen Interaktionsgeschehen.
Auch Menschen, die sich selbst niemals als Antisemiten,
sondern ganz im Gegensatz dazu als offen und religiös
tolerant betrachten, bedienen sich sogenannter
cultural codes – mitunter völlig unbewusst.
Die Ursprünge antijüdischer Vorurteile sind vielfältig
und leider auch in Kontexten zu finden, die diesen
explizit entgegenstehen sollten. So ist eine der Grundlagen
des langjährigen An- und Überdauerns von Vorurteilen
die ungewollte Tradierung und Verankerung
derselben ausgerechnet in Lehr- und Bildungsplänen,
was bereits in den 1970er bzw. 1990er Jahren sowohl
von katholischer wie evangelischer Seite kritisiert wurde.
Da seit 1995 keine umfassende Analyse mehr zur
Darstellung des Judentums in Lehrplänen durchgeführt wurde, ließ sich bisher nicht überprüfen, ob und inwiefern
sich diese Vorurteile (noch immer) in den aktuellen
Lehrplänen wiederfinden. Julia Spichal befasst sich
mit dieser Leerstelle und legt mit ihrer Dissertation Vorurteile
gegen Juden im christlichen Religionsunterricht.
Eine qualitative Inhaltsanalyse ausgewählter Lehrpläne
und Schulbücher in Deutschland und Österreich
eine detaillierte und gewinnbringende Arbeit vor, die
zukunftsweisende Vorschläge bereithält.
Der Aufbau von Spichals Arbeit ist schlüssig und
gut nachvollziehbar. Auf eine einleitende Vorbemerkung
folgt eine differenzierte, theoretische Grundlegung
der Termini Vorurteil (S. 15 –19) und Antisemitismus
(S. 19 – 69), bezüglich deren Ursprung, Bedeutung
und Verwendungskontext. Der Antisemitismusbegriff
steht dabei im Fokus und wird eingehend aus
sozialwissenschaftlicher (S. 21– 28), theologischer (S.
41– 47) und spezifisch religionspädagogischer Perspektive
(S. 69 – 84) erörtert. Dieser umfassende und dennoch
übersichtlich gestaltete Querschnitt ist sehr positiv
hervorzuheben, da historische Entwicklungen und
gesellschaftliche bzw. religiöse Traditionen, sowie die
Entwicklungen des »neuen« Antisemitismus (S. 31–
35) gleichermaßen berücksichtig, kontextualisiert und
in Bezug gesetzt werden.
Dieser theoretischen Grundlegung folgt ein erläuterndes
Kapitel zu Spichals methodischem Vorgehen,
welches sie an das Konzept der qualitativen Inhaltsanalyse
nach Philipp Mayrin (S. 92) und das Kategoriensystem
von Peter Fiedler (S. 93) anbindet. Dieses verwendet
sie, obwohl sie feststellt, dass Fiedlers Kategoriensystem
»fachwissenschaftlich veraltet« ist (S. 289) und
daraus Probleme bei der Bewertung ihres Analysekorpus
entstehen (S. 289). Spichal führt diesbezüglich
mehrfach explizit an (S. 99; S. 227 u.a.), dass der Fokus
ihrer Arbeit auf der Gewährleistung der Vergleichbarkeit
zu früheren Studien liegt. Ihre Entscheidung,
Fiedlers Methodik trotz der inhärenten Bewertungsprobleme
zu verwenden, ist daher im Kontext dieser
Arbeit konsequent und zielführend. An späterer Stelle
greift Spichal die konstatierten Probleme nochmals auf
und entwickelt ein eigenes, von Fiedler völlig losgelöstes
(S. 228) Analyseinstrumentarium und Kategoriensystem
(S. 275 – 280). Dieses basiert auf
fachwissenschaftlichen (S. 229 –250) und fachdidaktischen
Überlegungen (S. 251– 274), die sie exemplarisch
mit dem Einzelthema Jesu Verhältnis zu den
Pharisäern (S. 228) verbindet und dahingehend ausführlich
untersucht.

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Veröffentlicht

2021-01-22