Rezension zu: Dachs, Gisela (Hg.) (2017): Familie Jüdischer Almanach der Leo Baeck Institute, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin, 177 Seiten.

Autor/innen

  • Simon Lauer

DOI:

https://doi.org/10.25786/cjbk.v0i01-02.585

Abstract

Nach einem einleitenden Überblick der hoch verdienten
Herausgeberin versucht Jonathan Boyarin, Geschichte,
Gegenwart und (mit Fragezeichen) Zukunft
der jüdischen Familie zu skizzieren.
Alfred Bodenheimer beugt sich über die – traditionell
sehr starke – Rolle der orthodoxen Väter im postpatriarchalen
Zeitalter, das auch in höchst konservativen
Kreisen spürbar ist. Der Verfasser fragt aber auch,
was ein in jüdischen Dingen gar nicht bewanderter
Mann, der Vater wird und sein Kind jüdisch erziehen will, entdecken könnte, wenn er sein Judentum
intellektuell oder emotional zurückholt.
Dazwischen entfaltet
Museumsdirektor Hanno Loewy mit großem
Wis- sen und gewohnter Brillanz die
Geschichte der Familie Hirschfeld aus Hohenems,
die zu einem erheblichen Teil
dem Judentum nicht mehr angehört, sich
aber in der Heimat zu versammeln pflegt.
Später erfährt man von Ellen Presser
manches über jüdische Ehevorschriften
und Hochzeitsbräuche, aber auch Probleme
von Überlebenden, und fast am
Ende arbeitet der zwischen Berlin und Tel
Aviv pendelnde Journalist Assaf Uni den
Kontrast zwischen Israel und Deutschland
heraus, was den Kinderwunsch angeht, indem er aufzeigt,
was Israelis sich Samen- bzw. Eizellenspenden
(worauf auch Bodenheimer eingeht) kosten lassen.
In fast allen zehn übrigen Beiträgen geht es um
Überlebende und ihre Nachkommen. Diane L. Wolf war
als Kleinkind in Holland versteckt; die Begegnung mit
den überlebenden Eltern bedeutete einen Schock. Susanne
Urban berichtet über ihre Arbeit beim International
Tracing Service in Aroldsen; berührenden Erfolgsgeschichten
steht die Trauer über die immer noch
großen Lücken gegenüber. Michael Wuliger war auf
vergeblicher Spurensuche in Kisvarda (Kleinwardein),
einst ein (jüdischer) Ort, jetzt ein »Irgendwo im Nirgendwo
«. Die hochdramatisch erfundene Lebensgeschichte
eines Überlebenden und die trotzdem erarbeitete
Entdeckung ihrer selbst schildert Jennifer Bligh.
Die Hamburger Familientherapeutin Patricia Paweletz,
deren Großvater bei der Waffen-SS gewesen war, stellt
ihre Methode der Familienrekonstruktion dar und berichtet
bewegend über ihren Besuch bei Überlebenden
in New York.

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Veröffentlicht

2021-01-22

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Rezensionen | Bücherschau